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07.09.2016

Behindertenaufzug im Altbau

  • Treppenlift_43.jpg

In einer richtungsweisenden Entscheidung wurde der Hauseigentümer verpflichtet, einen behindertengerechten Stuhltreppenlift im Stiegenhaus des gediegenen Mietshauses zu errichten.

 

Nach einem Schlaganfall ist die betagte Mieterin einer Wohnung in Wien -  Neubau auf Betreuung rund um die Uhr angewiesen. Sie kann das Haus nur noch mit Hilfe einer Begleitperson verlassen oder betreten. Obwohl das 1876 errichtete Zinshaus über eine Liftanlage verfügt, muss sie mehrere Stufen im Eingangsbereich überwinden. Eine erhebliche Tortur für die gehbehinderte Frau. Deshalb ersuchte sie den Hauseigentümer um Genehmigung für die Errichtung einer Stuhltreppenliftanlage. Dieser verweigerte zunächst ohne Begründung.

Die Frau wandte sich an die MA 50 - Wiener Schlichtungsstelle, um einen Entscheid für den Einbau des Treppenlifts zu erwirken. Der Hauseigentümer beantragte die Abweisung des Antrags und argumentierte im Wesentlichen in zwei Richtungen. Zum einen würde der Treppenlift die Lebensumstände der Dame nicht wesentlich verbessern, da sie weiterhin auf fremde Hilfe angewiesen wäre und die Anlage somit vorrangig ihren Helfern zugute käme. Zum anderen wäre durch den Einbau eine Wertminderung des Gebäudes voraussehbar. Das Erscheinungsbild des Altbaujuwels, das mit Stuckaturen im Hauseingang, Marmorstufen und schmiedeeisernen Geländern mit geschnitztem, hölzernen Handlauf ausgestattet ist, wäre erheblich gestört. Dieser Argumentation nebst anderen Vorwänden folgte die Schlichtungsstelle und entschied zu Gunsten des Hauseigentümers.

Richtungsweisende Entscheidung

Die Mieterin, vertreten durch die MVÖ, strebte daraufhin ein Verfahren vor Gericht an. Nach Abwägen der Interessen aller Verfahrensbeteiligten und der übrigen Hausbewohner fasste das Bezirksgericht Josefstadt im April 2016 einen Beschluss: Der Behindertenaufzug muss binnen zwei Monaten auf Kosten der Antragstellerin errichtet werden. Nach Ansicht des Gerichts überwiegt das Interesse der 77-jährigen Gehbehinderten, würdevoll und ohne große Kraftanstrengung die drei Stufen ins Erdgeschoß hinunterzukommen. Ob mit oder ohne Hilfe spiele keine Rolle. Zudem werde durch den Treppenlift weder das Erscheinungsbild des Stiegenhauses wesentlich beeinträchtigt noch die Möglichkeit zur Flucht im Notfall. Schließlich sei der Treppenlift für alle Hausbewohner auch insofern von Vorteil, als das Schicksal der betagten Dame jeden treffen könnte. Sein Vorhandensein ist ein Zeichen für die Solidarität der Hausgemeinschaft und die des Hauseigentümers.

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